Die in den Hochzeitsvorbereitungen steckenden Paare haben fast alle den Gedanken an einen Ehevertrag vielleicht irgendwann – eher jeder für sich – gestreift aber sich nicht getraut der Romantik einen Stoß zu versetzen. Wer möchte schon über das potenzielle Ende einer Ehe nachdenken, die noch gar nicht begonnen hat ? Wer möchte auf dem Höhepunkt der Liebe nüchtern über die Folgen eines möglichen Fehlschlages sprechen ? Aus welchen Wolken stürze ich den anderen, wenn ich ausgerechnet jetzt mit solch einem Thema komme ?
Und während sie noch nachdenken, droht dann auch noch möglicherweise Ungemach auch von dritter Seite: die eigenen Eltern oder Großeltern tauchen auf und melden Bedenken und mahnen den Abschluss eines Ehevertrages an wegen des Erbes und so …..
Spätestens dann sind Druck oder Verwirrung komplett und wer dann nicht den Sprung ins kalte Wasser wagt und sich traut, das Thema mit der Partnerin/dem Partner zu besprechen, taucht alleine und heimlich und kurz vorher in der Praxis einer Familienanwältin/eines Familienanwaltes auf, um sich „mal eben“ beraten zu lassen.
Und seien Sie sich gewiss: das fühlt sich so ähnlich an wie das erste Mal fremdgehen ….und eigentlich ist es das auch.
Also lassen Sie das !
Ich möchte Sie ermutigen den Schritt in die Ehe nicht nur auf Wolke 7 und unrealistischer Weise ausschließlich gefühlsbetont zu gehen. Ein gesetzliches Eheversprechen hat eine Fülle rechtlicher Folgen über die sie niemand aufklärt, wenn Sie sich nicht selber informieren. Es ist kein Vertrauensbruch und es kann (und darf ! ) der Liebe keinen Abbruch tun, wenn man Vernunft walten lässt. Dafür ist der Vertragsschluss, den Sie beabsichtigen zu vielschichtig und zu kompliziert in seinen Folgen.
Statistisch gesehen wird nahezu jede zweite Ehe geschieden. Ich weiss, Sie wollen das jetzt gerade nicht wissen und Sie sind felsenfest davon überzeugt, dass Sie im Begriff sind, die richtige Entscheidung für ein ganzes Leben zu treffen. Klar! Denn sonst würden Sie ja nicht heiraten.
Aber : Wenn Sie einen Kühlschrank kaufen wollen, erkundigen Sie sich auch vorher genau und erhalten bei Abschluss des Kaufvertrages in der Regel eine Unmenge von kleingedruckten Vertragsklauseln und eine mehrseitige Bedienungsanleitung, damit Sie genau wissen, was zu tun ist, wenn er nicht funktioniert oder Mängel aufweist. Und Sie gehen natürlich nicht davon aus, dass ausgerechnet dieser Kühlschrank nicht funktionieren oder frühzeitig seinen Geist aufgeben könnte. Aber die Vertragsklauseln, die Sie kennen und vereinbart haben, geben Ihnen die Ruhe und Gewissheit, was zu tun wäre, wenn…. Und sie kaufen nur einen einzelnen Kühlschrank !
Das Vertrackte ist, dass Sie sich bei Eingehung einer Ehe auch sehr viele „Vertragsbedingungen“ einhandeln, die Ihnen nur niemand vorher genau aufzeigt. Sie erhalten weder einen schriftlichen Vertrag, noch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), noch eine Bedienungsanleitung. Aber die rechtlichen Folgen Ihres Ja-Wortes sind gravierend und fortan leben Sie in einer Art Vertragsverhältnis, das möglicherweise viele für sie überraschende Klauseln enthält. Und so lange der Gesetzgeber Ihnen die Ehe-AGB auf dem Standesamt vor der Eheschliessung nicht aushändigen möchte (und er tut dies bis dato nicht), rate ich Ihnen dringend dazu, sich diese vorher selber zu beschaffen. Daran liegt erst einmal nichts Ungehöriges.
Machen Sie sich gemeinsam schlau über die Folgen Ihres Vorhabens. Lesen Sie zu den Stichworten Ehegattenunterhalt, Versorgungsausgleich, Zugewinngemeinschaft und Hausrat. Sie werden zu diesen Themen eine Fülle von Beiträgen im Internet finden. Das ist Ihr Vertrag, Ihr Kleingedrucktes, es sind die AGB Ihrer Ehe.
Lesen Sie diese gemeinsam, seien Sie neugierig. Reden Sie miteinander über Ihre Erkenntnisse, seien sie ehrlich und erlauben Sie sich zu sagen: das habe ich mir so aber nicht vorgestellt. Versuchen Sie sich Ihre eigene Situation vor Augen zu führen, sprechen Sie über Ihrer beider Ideen und Vorstellungen von der zukünftigen Gestaltung Ihrer Ehe. Wollen Sie diese gesetzlichen Regelungen für Ihre individuelle Ehe haben oder welche anderen Vorstellungen haben Sie ? Erzählen Sie sich gegenseitig wovor Sie Angst haben und was Ihnen Sorge bereitet. Und tun Sie es ruhig bei einem Glas Wein. Schreiben Sie alles auf, was Sie besprechen, was Sie einvernehmlich anders gestalten möchten.
Machen Sie Pläne und erschrecken Sie nicht, wenn Ihre Ideen unterschiedlich sind. Lassen Sie sich gegenseitig erst einmal Ihre Vorstellungen und schauen Sie zu einem späteren Zeitpunkt, wenn alle Punkte auf dem Tisch liegen, wo Sie Kompromisse schließen können. Sie werden diese Kompromisse finden, wenn und weil Sie sich lieben.
Wenn Sie planen. Kinder zu bekommen, machen Sie sich klar, dass Sie im Prinzip ein kleines Unternehmen gründen. Lesen Sie zunächst auch wieder gemeinsam zu den Stichworten Kindesunterhalt, Umgangsrecht, Sorgerecht Beiträge im Internet ( denken Sie daran, es handelt sich um Ihre AGB) . Überlegen Sie, wer welchen Part übernehmen soll. Wie werden die finanziellen Dinge geregelt ? Wer seine berufliche Karriere phasenweise aufgibt, muss abgesichert werden. Wie soll die gemeinsame Altersvorsorge aussehen ? Wie soll vorhandenes Vermögen eingebracht werden ? Wie wird zukünftiges Vermögen, wenn es erworben wird, aufgeteilt ? Wer ist für welchen Bereich zuständig ? Was soll geschehen, wenn es nicht klappt ? Welche Fairness-Regeln geben Sie sich ? Wer soll vermitteln, wenn es mal nicht weitergeht ? Lösen Sie sich von der Vorstellung des Gesetzgebers, wenn es Ihnen und Ihren gemeinsamen Vorstellungen nicht entspricht und entwerfen Sie Ihr ureigenes individuelles Ehe-Konzept.
Sie werden erleben, dass es eigentlich eine wunderbare Vorbereitung auf Ihr gemeinsames Leben ist. Es tut gut und nimmt Ihnen Ihre Unsicherheiten. Es bedeutet auf eine sehr erwachsene Art und Weise eine tragende Vereinbarung für Ihr Leben zu entwickeln. Ihr Wissen um die bestehenden gesetzlichen „Vertragsklauseln“ wird Sie befähigen, eigene individuelle Lösungen zu finden und wird dazu beitragen, dass Sie im Verlauf Ihrer Ehe nicht bewusstlos wichtige finanzielle Transaktionen an sich vorbeilaufen lassen, sondern realitäts- und folgebezogen eigene Entscheidungen bewusst treffen.
Und wenn Sie mit dieser Vorbereitung der Wissensbeschaffung und dem Aushandeln Ihrer gemeinsamen Vorstellungen fertig sind, wenn Sie gemeinsam dem Gesetzgeber ein Schnippchen schlagen und Ihre Ehe auf eigene rechtlich verbindliche Füsse stellen wollen, dann gehen Sie zusammen mit Ihrem Konzept (auch mit den möglicherweise noch nicht kompromissfähigen Teilen) zuerst zu einer/einem guten Fachanwalt für Familienrecht und bitten diese/diesen Ihnen weiter zu helfen.
Da viele Fachanwältinnen/Fachanwälte für Familienrecht mittlerweile auch eine Mediationsausbildung haben, haben Sie dort zunächst die Chance unter ihrer/seiner Vermittlung, Ihre ungeklärten und noch nicht einstimmigen Vorstellungen aneinander anzugleichen. Danach hat die Anwältin/der Anwalt die Aufgabe aus Ihren Ideen einen wirksamen Ehevertrag zu entwickeln.
Und das muss leider sein und ja, das kostet Geld.
Nicht jede von Ihnen erdachte Lösung ist ohne weiteres vertraglich umsetzbar. Die Rechtsprechung ist da leider sehr streng und lässt nicht alles und jedes so ohne weiteres zu. Sie können und dürfen nicht mehr so ohne weiteres auf bestimmte gesetzlich vorgesehene Absicherungen (z.B. Unterhalt oder Versorgungsausgleich) verzichten und auch eine zu vereinbarende Gütertrennung hat weitreichende, u.a. erbrechtliche Folgen.
Aber machen Sie sich im Vorfeld dazu keine Sorgen und bleiben Sie bei Ihren Ideen. Wählen Sie eine erfahrene/einen erfahrenen Anwältin/Anwalt aus und überlassen Sie es ihr/ihm diese in wirksamer Form umzusetzen. Die Entwicklung und Gestaltung von Eheverträgen setzt sehr viel Erfahrung und Wissen voraus. Im Laufe der letzten Jahre wurde in der höchstrichterlichen Rechtsprechung viel Augenmerk auf Ehevertragsklauseln und deren anfängliche oder später eintretende Unwirksamkeit gelegt. Nur wer genau weiss, was nicht zulässig ist, kann kreativ erarbeiten, was in wirksamer Form sein soll. Mandantinnen/Mandanten, die einen Ehevertrag haben möchten, lösen im Kopf jeder/jedes Fachanwältin/Fachanwaltes ein Feuerwerk an Überlegungen und Gedanken aus. Sie werden das im Zweifel nicht wahrnehmen aber es sei Ihnen versichert, dass die Gestaltung von Eheverträgen juristisches „Hochreck“ in der familienrechtlichen Beratung bedeutet.
Die Frage der Kosten für einen solchen Ehevertrag sollten Sie mit der Anwältin/dem Anwalt Ihres Vertrauens vor Auftragserteilung genau verhandeln.
Wenn Sie in Ihren eigenen Verhandlungen schon sehr weit gediehen sind und es nur um die Frage geht, ob Sie Ihre Vorstellungen in eine wirksame Form bringen können, genügt häufig eine etwas umfangreichere Erstberatung. Die Kosten belaufen sich hierfür auf maximal 190,00 € zzgl. USt.
In dieser Erstberatung erfahren Sie dann auch, ob die von Ihnen gewünschten Regelungen einer notariellen Beurkundung bedürfen. Die Notare berechnen Ihre Gebühren bei Abschluss eines Ehevertrages nach dem Wert des beiderseitigen Vermögens. Hier können Sie ebenfalls im Notariat Ihrer Wahl zuvor die Kosten erfragen.
Falls die Anwältin/der Anwalt den Vertrag zunächst noch in Einzelheiten zwischen Ihnen verhandeln, ihn entwerfen, gestalten oder umgestalten muss, sollten Sie auf jeden Fall mit ihr/ihm eine schriftliche Honorarvereinbarung nach Stundensätzen oder über eine Pauschalvergütung treffen. Lassen Sie sich genau erklären, wie hoch der Stundensatz ist und wie viele Stunden grob kalkuliert werden. Ein Stundensatz von 200,00 – 300,00 € zzgl. USt ist bei guten Fachanwältinnen/Fachanwälten auch im Hinblick auf das hohe Haftungsrisiko bei der Gestaltung von Eheverträgen durchaus üblich. Das mag Ihnen viel erscheinen aber gehen Sie davon aus, dass sie bei „preiswerteren“ Angeboten auch nur preis-adäquate Leistung erhalten. Wer Erfahrung in der Gestaltung von Eheverträgen hat, weiss, wie viel Zeitaufwand und Gedanken in einem gut verhandelten und wirksamen Vertrag stecken.
Solch ein Vertrag ist ein Dokument, das im Idealfall vielleicht zusammen mit Ihrer Heiratsurkunde Zeit Ihres gemeinsamen Lebens nur in einer Schublade liegt. Falls sich die Dinge aber nicht so ideal entwickeln, hat er für alle Beteiligten einen ganz besonderen Wert, der gemessen an den einstmals entstandenen Kosten (auch im Verhältnis zu den gesamten Kosten der Hochzeit) im Zweifel nicht aufzuwiegen ist.
Also : Wagen Sie bei dem Schritt ins Alpha der Ehe den Blick auf das Omega. Seien Sie vernünftig und mutig ! Es lohnt sich. Und wenn Sie gar keine Idee haben, wie Sie es Ihrer Partnerin/Ihrem Partner erklären sollen, dass und warum Sie über dieses unromantische Thema doch „kurz vorher“ noch einmal sprechen möchten, drucken Sie doch einfach diesen Text aus und lassen Sie ihn zufällig auf dem Küchentisch liegen. Meine Erfahrung zeigt, dass in den meisten Fällen dieses Thema gar keinen Eklat bedeuten muss, sondern eher ein Aufatmen und Erleichterung beim Anderen bewirkt.
Ich wünsche Ihnen alles Gute und für Ihre beabsichtigte Ehe, dass diese nicht mit einem Tabu beginnen möge.
Herzlichst
Heidrun Sorgalla
Fachanwältin für Familienrecht
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