Vorsorgevollmacht – 10 Antworten auf Fragen, die Sie sich bisher nicht gestellt haben

Der Begriff der Vorsorgevollmacht ist in aller Munde. Jeder ist auf die eine oder andere Weise schon damit konfrontiert worden. Und ja, Sie sollten sich Gedanken darüber machen und nein, Sie müssen nicht.

Immer wieder kommen Mandantinnen/Mandanten zu uns, die direkt oder beiläufig „mal eben“ bitten, auf irgendwelche Papiere zu „schauen“ und zu sagen, „dass das so ok ist“.

Meistens erhalten wir dann einige lose Blätter, auf denen rubrikartig vorgefasste Sätze stehen, die in Kästchen mit Ja oder Nein angekreuzt und von irgendwem, meistens unleserlich unterzeichnet wurden. „Hab ich aus dem Internet“, bekommen wir dann auf Nachfrage zu hören.

Wenn ich solche ad-hoc und „mal-eben-Anfragen erhalte, schalte ich mittlerweile auf stur. Ich reiche die Unterlagen ohne sie zu lesen zurück , sage „nein, das ist nicht ok“ und warte ab, wie die Reaktion ist.

Die Einen verdrehen die Augen, reagieren gereizt und möchten „mal eben“ dann ein „vernünftiges Formular“ ( was ich ihnen leider aber aus guten Gründen meistens verweigere), die Anderen halten inne, schauen fragend und signalisieren, dass sie gerne mehr Informationen hätten.

Und spätestens dann, wenn ich sage, „Das ist nicht so einfach, sie müssten sich dann bitte Zeit nehmen und mir einmal eine Weile zuhören, kann ich sehen, wie auch mindestens die Hälfte dieser Mandantinnen/Mandanten die Augen verdrehen, seufzen und mit Sicherheit denken „Diese Juristen müssen immer alles so kompliziert machen“.

Und um es gleich vorweg zu sagen: Ja, bei diesem Thema müssen die das (und tun es leider viel zu selten) !

Und bevor Sie sich die Mühe machen und jetzt weiterlesen:

Ich werde Sie im folgenden Text nicht wirklich schlau machen, was Sie konkret tun sollen. Ich kenne Sie nämlich nicht und weiss nichts über Sie und weiss vor allem nicht, was genau Sie benötigen.

Alles, was ich hier tun kann, ist, Sie zu sensibilisieren für ein zwar sehr wichtiges aber mit äußerster Vorsicht zu betrachtendes Thema.

Es ist mir ein Anliegen, Sie zum Innehalten zu bringen, Sie aus der ( durch Medien und Juristinnen/Juristen verursachten) Oberflächlichkeit herauszuholen, Ihnen klar zu machen, dass es hier um wirklich existentielle Fragen geht, Sie zum Nachdenken zu bewegen und Ihnen bisher vielleicht unbekannte Aspekte aufzuzeigen, die in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen und über die Sie im Internet kaum etwas finden.

Also, wenn Sie sich bei diesem wichtigen Thema die Zeit nehmen wollen:

10 Antworten auf Fragen, die Sie sich bisher so nicht gestellt haben.

1.

Weiss ich genau, worum es bei dem Thema Vorsorgevollmacht geht ? Habe ich wirklich verstanden, was es bedeutet, jemandem zu meinen Lebzeiten eine alles umfassende Vollmacht zu erteilen ?

Das Wort Vorsorgevollmacht ist irreführend. Der richtige Begriff lautet Generalvollmacht. Sind sie jetzt zusammengezuckt ? Das wäre gut (für die Sensibilisierung) .

Eine wirkliche Vorsorgevollmacht wollen und sollten sie nicht erteilen, denn in einer solchen Urkunde stünde dann, dass die Vollmacht nur (vorsorglich) für den Falle erteilt wurde, dass Sie nicht mehr in der Lage wären zu handeln, also teilweise oder vollständig geschäftsunfähig wären. Müsste(n) Ihre Vollmachtnehmer(innen) mit einer solch beschränkten Urkunde für Sie handeln, müssten Sie bei jeder Handlung im Rechtsverkehr zusammen mit der Vollmacht zugleich auch ein Attest über Ihre amtsärztlich festgestellte vollständige oder teilweise Geschäftsunfähigkeit vorlegen.

Nur wenn eine Vollmacht bedingungslos erteilt wurde, ist sie ohne dieses Attest wirksam. Eine solche Bedingung sollten Sie tunlichst nicht aufnehmen, denn es geht niemanden etwas an, in welchem gesundheitlichen Zustand Sie sich befinden. Oder soll die/der Bankangestellte, die/der Briefträger(in), die/der Vermieterin derart Persönliches über Sie erfahren ?

Eine allumfassende Generalvollmacht beinhaltet die bedingungslose Erteilung der Vertretungsmacht an eine(n) oder mehrere Dritte(n) in sämtlichen Bereichen, in denen es auf Ihren freien Willen und Ihre Willenserklärungen ankommt.

Sie erlauben der/dem/den Vollmachtnehmer(innen) Sie bei allen Rechtsgeschäften, Banken, Behörden, bei der Post und in gesundheitlichen Belangen bei Ärzten und Krankenhäusern rechtlich wirksam zu vertreten.

Was immer Ihre Vollmachtnehmer(innen) tun, tun sie für Sie rechtlich bindend und verpflichtend in Ihrem Namen. Darüber hinaus beinhaltet eine Generalvollmacht die Ermächtigung der Vollmachtnehmer(innen) über Ihren Aufenthalt zu bestimmen, also sie erforderlichenfalls auch in einer psychiatrischen Einrichtung oder einem Heim unterzubringen.

Die Generalvollmacht ist erteilt, wenn Sie sie unterzeichnet haben. Die Vollmachtnehmer(innen) benötigen jedoch die Urkunde im Original, wenn Sie davon Gebrauch machen sollen oder wollen. Sie können die Urkunde natürlich bei sich behalten, jedoch sollten Sie sicher stellen, dass die Vollmachtnehmer(innen) wissen, wo sie die Urkunde finden können, falls sie sie benötigen.

Die Generalvollmacht gilt für Ihre Lebenszeit so lange bis sie wirksam durch Sie selbst (solange Sie geschäftsfähig sind) oder eine/einen gerichtlich bestellten Betreuer(in) widerrufen wird. Sie gilt auch über Ihren Tod hinaus, wenn Sie dies ausdrücklich so formuliert haben.

Machen Sie sich bitte klar, dass eine solche Vollmachterteilung bedeutet, dass Sie sich im Prinzip vollständig in die Entscheidungsmacht eines oder mehrerer anderer Menschen begeben. Sie übertragen die Verfügungsgewalt über Ihr Vermögen, über all Ihre geschäftlichen Belange, über Ihre höchst persönlichen Angelegenheiten und Ihre persönliche Freiheit auf einen anderen Menschen.

Ich finde, das sollte es wert sein, sich in Ruhe Gedanken zu machen und sorgfältig abzuwägen.

2.

Kann und sollte ich unterschiedlichen Menschen unterschiedliche Vollmachten erteilen ?

Ja, das können und sollten sie vielleicht auch.

Denken Sie darüber nach, wer aus Ihrem Umfeld gut mit Geld umgehen kann, buchhalterische Fähigkeiten hat, genau ist und dafür Sorge tragen könnte, Ihr Vermögen gut und in Ihrem Sinne zu verwalten und erteilen Sie dieser Person nur die entsprechend eingegrenzten Vollmachten.

Machen Sie die Dinge machbar und überlegen sie, wer in Ihrem nahen Umfeld lebt und vielleicht die kleineren Geschäfte für Sie erledigen könnte.

Und denken Sie gut darüber nach, wen Sie vielleicht mit den gesundheitlichen Dingen beauftragen wollen. Wer soll entscheiden, wann und wie sie ärztlich versorgt werden sollen. Wer soll möglicherweise die „großen Entscheidungen“ am Ende Ihres Lebens treffen.

Nicht jeder in Ihrem Umfeld kann alles gleich gut. Menschen haben unterschiedliche Fähigkeiten. Wählen Sie sorgsam, denn es geht um Ihr Vermögen und um Ihr Leben. Sie geben die Verantwortung für sich selbst in die Hände anderer. Auch das sollten Sie wohl überlegen und erst nach reiflichem Nachdenken ganz individuell entscheiden und umsetzen, indem Sie vielleicht Einzelvollmachten erteilen und nicht nur einem Menschen alles zur Entscheidung überlassen.

3.

Habe ich in meinem Umfeld einen oder mehrere Menschen, denen ich meine ganze Existenz anvertrauen kann und will ?

Diese Fragestellung löst häufig eine Krise im Nachdenken aus. Sie ist aber wichtig, vielleicht die wichtigste Frage in diesem Zusammenhang überhaupt. Und nur sie allein können diese Frage beantworten.

Ich erlebe in der Beratung häufig, dass Mandantinnen/Mandanten wenn es um die Frage geht, ob die Vollmachtsurkunde sofort oder erst später an die Vollmachtnehmer(innen) ausgehändigt werden soll, die spontane Antwort „erst später“ lautet.

Wenn Sie auch zu dieser Antwort neigen, lassen Sie mich Ihnen etwas zu bedenken geben: Ihre Antwort signalisiert einen Unsicherheit, die Sie genauer betrachten sollten. Welche Bedeutung Ihre Vollmacht hat, wissen Sie nun und natürlich verunsichert es, wenn man sich vorstellen soll, dass da ein oder mehrere Menschen irgendwo sein sollen, die Sie mit einem Federstrich arm machen oder „wegsperren“ lassen könnten ( letzteres geht so einfach nicht aber ich wähle diese Formulierung, weil ich weiss, dass das in den Köpfen herumschwirrt).

Und natürlich ist es verständlich, dass Sie das Risiko, dass etwas geschehen könnte, was sie nicht wollen, so weit wie möglich nach „hinten“ verschieben möchte.

Aber merken Sie, was Sie da denken bzw. empfinden ? Es ist Misstrauen. Sie vertrauen den von Ihnen gewählten Menschen nicht wirklich. Aber Sie wollen sich und Ihr ganzes Dasein diesen Menschen anvertrauen, wenn sie selbst nicht mehr in der Lage sind, sich um Ihre Dinge und vor allem Sie um sich selbst zu kümmern ?

Machen Sie die Vertrauensfrage genau an diesem Punkt fest und Sie werden das richtige Ergebnis finden. Nur wem Sie jetzt und unbedingt vertrauen, die/derjenige bekommt die Vollmacht. Jetzt. Oder gar nicht.

Ob Sie nur einer oder mehreren Personen Ihre Vollmacht erteilen, ist eine ebenfalls gut zu überdenkende Frage.

Wenn Sie nur eine Person wählen, laufen Sie Gefahr, dass diese unbeaufsichtigt tun und lassen kann, was sie will.

Eine weitere Gefahr (die ich vor allem bei älteren Ehepaaren immer wieder sehe) ist, dass Ihr(e) Vollmachtnehmer(in) unerkannt psychisch erkrankt ( z.B. an einer Depression oder an einer demenziellen Erkrankung) und möglicherweise ebenfalls unerkannt Entscheidungen zu Ihren Ungunsten trifft.

Diese Gefahren halte ich für unüberschaubar und sind der Grund, warum ich grundsätzlich von Einzelvollmachten abrate.

Die Entscheidung zwei Vollmachtnehmer(innen) zu wählen, birgt auch Risiken.

Dass die von Ihnen vorgesehenen zwei Menschen sich gut verstehen sollten, ist ein gängiges Argument für die funktionierende Handlungsfähigkeit der Beteiligten. Die Frage sollte aber aus Ihrer Sicht sein, ob zwei, die sich immer einig sind, im Falle einer Entscheidung auch wirklich alle Aspekte berücksichtigen.

Idealer wären nach meinem Dafürhalten zwei Menschen, die vielleicht auch einmal Dinge kontrovers sehen und um eine gute Entscheidung miteinander ringen müssen. Denn es geht ja nicht darum, dass Ihre Vollmachtnehmer(innen) leichtes Entscheiden haben, sondern in Ihrem Sinne nach guten Lösungen suchen oder ?

Als problematisch sehe ich auch den Punkt, dass bei zwei Personen, wenn sich nicht einigen können, immer eine Patt-Situation eintritt und man nicht weiterkommt, bzw. diese Konstellationen dann meistens doch in der Anordnung einer richterlich verfügten Betreuung enden.

Der Idealfall ist meines Erachtens die Vollmachterteilung entweder an drei oder an zwei Personen, bei denen Sie zusätzlich bestimmen, dass im nicht zu lösenden Streitfall eine dritte, namentlich benannte Person nach Anhörung der Vollmachtnehmer(innen) entscheiden darf. Für diese Funktion eignen sich gut Freundinnen/Freunde der Familie oder Berufsträger wie Steuerberater(innen) oder eine Pfarrerin/ein Pfarrer (wobei letztere sie kennen sollten).

Und machen Sie sich keine Gedanken darüber, dass diese größere Anzahl an Personen es möglicherweise nicht so leicht haben wird, Entscheidungen zu treffen. Es geht darum, dass für Sie und in Ihrem Interesse gehandelt wird und da müssenSie sich wünschen, dass möglichst viele Geister sich gedanklich mit Ihnen befassen.

4.

Kennen mich diese Menschen in meinem innersten Wesen ? Wissen diese Menschen genau, was ich will ?

Wenn Mandantinnen/Mandanten diese Frage im Beratungsgespräch spontan mit ja beantworten, haben sie meistens vor, ihre(n) Ehepartner(in) oder ihre Kinder zu Vollmachtnehmer(inne)n zu machen. Bei Ersteren kann ich die Antwort meistens einfach stehen lassen , weil meine berufsbedingten und oft perspektivischen Zweifel nicht unbedingt relevant wären und langjährige Ehepaare kennen sich meistens wirklich gut.

Bei den Letzteren, also denjenigen, die ihre Kinder wählen, gebe ich immer Einiges zu bedenken.

Eltern glauben meistens nur, dass ihre Kinder sie in ihrem Innersten kennten. Sie tun dies, weil sie die Kinder bis ins letzte Detail kennen. Aber ist es umgekehrt wirklich auch so ?

Überlegen Sie einfach, welche Erwachsenen-Geheimnisse Sie vor Ihren Kindern zu deren Kinderzeit hatten und vielleicht bis heute noch haben, weil sich nie die Gelegenheit ergab darüber einmal zu reden. Was tun Sie, wenn Sie allein sind, was Sie nie tun würden, wenn Ihre (vielleicht schon erwachsenen) Kinder anwesend wären.

Wissen Ihre Kinder wirklich wie Sie über bestimmte Dinge denken, welche Bedeutung Dinge in Ihrem Leben für sie haben ?

Und machen sie sich noch etwas klar: Eltern begegnen ihren Kindern unterschiedlich. Der Vater gibt sich dem Sohn gegenüber häufig „männlich“, demonstriert „Stärke“, um ein gutes Vorbild zu sein. Der Tochter gegenüber gibt er sich vielleicht eher nachdenklicher, weicher. Die Mutter macht es möglicherweise andersherum, sie zeigt sich bei einem Sohn anlehnungsbedürftig, bei ihrer Tochter eher kämpferisch.

Dies alles geschieht unterschwellig und aus vielen verschiedenen (pädagogischen) Motiven. Dies kann dazu führen, dass Geschwister oftmals eine völlig unterschiedliche Sichtweise auf die Eltern haben, was dazu führen kann, dass sie sich in Entscheidungsfällen schlecht verständigen und darüber einigen können, was die Mutter/der Vater in dieser oder jener Situation wohl gewollt haben würde.

Meine Erfahrung ist, dass Kinder ihre Eltern als Eltern kennen, nicht aber unbedingt auch als erwachsene Individuen.

Ich gebe das nur zu bedenken.

Und wenn Sie beabsichtigen, den besten Freund oder die beste Freundin zu Vollmachtnehmer(innen) zu machen, vergewissern Sie sich auch hier  noch einmal, gegebenenfalls durch Gespräche, darüber, ob diese Ihre Vorstellungen kennen. Manchmal ändern solche Gespräche einiges.

5.

Bin ich mir sicher, dass diese vertrauenswürdigen, mich und meine Interessen kennenden Menschen in der Lage sind, im Ernstfall auch Entscheidungen zu treffen ?

Die Frage nach der Entscheidungskompetenz vorgesehener Vollmachtnehmer(innen) löst oft Irritationen aus.

Wer Inhaber einer Generalvollmacht ist, muss im Zweifel Entscheidungen treffen (können), die schwer und oft auch unpopulär sind. Sie/er wird nicht unbeobachtet entscheiden.

In der Regel diskutieren viele ( Kinder, Nachbarn, Freunde) mit und versuchen sie/ihn in die eine oder andere Richtung zu beeinflussen. Jemand, der für Sie und Ihre Belange eintreten soll, muss standhaft und stark sein können. Und gleichzeitig umsichtig und diskussionsfähig. Und zu irgendeinem Zeitpunkt muss sie/er die Entscheidung auch treffen, was bedeutet, dass auch ein gehöriges Maß an Selbstbewusstsein erforderlich sein könnte.

Schauen Sie sich Ihre(n) zukünftigen Vollmachtnehmer(in) noch einmal gut unter diesen Aspekten in Gedanken an. Wird sie/er das hinbekommen ? Ist sie/er stabil genug ?

Und dann gibt es in diesem Zusammenhang noch einen wichtigen weiteren Aspekt:

Bei der Vorstellung, sich vollständig in die „Hände“ eines anderen Menschen begeben zu sollen, neigen fast alle Mandantinnen/Mandanten dazu, emotionale Gründe für oder gegen die auszuwählende Person anzuführen. Vor allem „die Kinder“ werden oftmals benannt, weil sie so „tolle Kinder“ sind und man so „eng miteinander verbunden“ ist. Genau letzteres ist aber leider oft ein großes Hindernis und für Sie und Ihre aber auch deren Interessen schädlich.

Kinder sind in meinen Augen immer die „ärmsten“ Vollmachtnehmer.

Je enger die Bindung an die Eltern ist, je emotionaler die Beziehung, um so schwieriger kann die Situation werden. Gerade wegen der engen emotionalen Bindung sind Kinder leider oft schlechte Entscheidungsträger.

Einzelkinder schaffen es oft kaum ohne Berater. Geschwister geraten oft in Streit über die Frage, was hätte die Mutter/der Vater gewollt. Alte aus Kinderzeiten herrührende und unbearbeitete Konflikte brechen auf. Sätze wie „Du wolltest immer schon das Sagen haben“ oder „Du kennst sie/ihn nicht wirklich“, „Du warst immer schon  ihr/sein Lieblingskind“ sind in solchen Konfliktsituationen nicht selten zu hören und für eine Entscheidungsfindung natürlich kontraproduktiv.

Fragen Sie sich bitte auch, ob das jeweilige Kind einer großen (emotionalen) Belastung überhaupt standhalten kann. Was wird die Folge für dieses oder jenes Kind sein, wenn es über einen langen Zeitraum einen möglicherweise dahinsiechenden Elternteil vertreten muss. Seien Sie an dieser Stelle umsichtig und fürsorglich, wenn Sie Ihre Kinder lieben, denn nicht selten brechen Kinder, die emotional nicht so belastbar sind, unter der Last einer solch großen Verantwortung für die Eltern zusammen oder überfordern sich aus Pflichtgefühl und tragen psychische Schäden davon.

Seien Sie kritisch. Denn noch einmal zur Erinnerung: es geht in erster Linie um Sie aber es geht auch um Ihre Verantwortung Ihrer Familie gegenüber.

6.

Kennen die von mir ausgewählten Menschen ihre Rechte und ihre Verpflichtungen, die aus einer von mir erteilten Vollmacht resultieren und sind sie wirklich bereit, diese Verantwortung zu tragen ?

Wer Sie vertreten soll, muss wissen, dass sie/er Sie vertreten soll und was sie/er zu tun hat !

Viele, vor allem ältere Menschen erzählen mir in der Beratung, dass sie diese oder jene Person bereits in ihrem Vollmachtsformular „eingesetzt“ haben. Wenn ich dann nachfrage, ob die jeweilige Person das auch schon wisse,  sehe ich Kopfschütteln.

So geht es natürlich nicht und so sollte es nicht sein.

Sie müssen mit Ihren Vollmachtnehmer(inne)n vor Einsetzung sprechen. Sie sollten ihr Einverständnis einholen und sich deren eventuellen Fragen und Bedenken stellen. Es nützt Ihnen nichts, wenn Sie aus Ihrer Wahl ein Geheimnis machen und riskieren, dass die Person, die Sie gewählt haben, die Aufgabe gar nicht wahrnehmen möchte. Und glauben Sie mir, das geschieht sehr oft.

Vollmachtnehmer(innen) sind nicht nur aufgrund einer einmal erteilten Vollmacht verpflichtet, die ihnen erteilte Aufgabe auch zu erfüllen. sie können und dürfen jederzeit Nein sagen und sie dürfen auch auf halber Strecke aufgeben.

Wenig sinnvoll ist es auch, ein Geheimnis daraus zu machen, welchem von mehreren Kindern man eine Vollmacht erteilt. Wenn Sie mit einer solchen Vorgehensweise einem möglichen Geschwisterkonflikt ausweichen wollen, wird das Ergebnis nur sein, dass der Konflikt ausbricht, wenn sie keinen Einfluss mehr nehmen können. Aber er wird kommen und das wird keine Situation sein, die für Sie und Ihre Belange von Vorteil sein wird. Regeln Sie das klar, eindeutig und offen und begründen Sie Ihre Entscheidung und werben Sie um Zustimmung und Verständnis.

Genauso muss die Person Ihrer Wahl wissen, was Sie in dieser oder jener Situation genau tun soll.

Sie müssen mit ihr einen Vertrag schliessen, in dem genau geregelt ist, wie z. B. mit Ihrem Geld verfahren werden soll, wie und wo Sie untergebracht werden sollen etc. Und in diesen Vertrag gehört dann auch die Vereinbarung darüber, ab wann die/der Vollmachtnehmer(innen) von der Vollmacht Gebrauch machen dürfen !

Dieser Vertrag, der das sogenannte „Innenverhältnis“ zwischen Vollmachtgeber(in) und Vollmachtnehmer(innen) regelt, ist unerlässlich unter zwei weiteren Aspekten: zum Einen muss die/der Bevollmächtigte wissen, was zu tun ist. Zum Anderen muss aber auch für Aussenstehende ( vor allem zu einem späteren Zeitpunkt für eventuelle Erbe(inne)n nachvollziehbar und überprüfbar sein, ob sie/er alles richtig und in Ihrem Sinne gemacht hat.

Dieser „Geschäftsbesorgungsvertrag“ im Innenverhätnis wird oft vergessen und doch ist er genauso wichtig wie die Bevollmächtigung als solche und ich kann vor allem Vollmachtnehmer(inne)n nur raten, sehr viel Wert darauf zu legen, dass ein solcher Vertrag geschlossen wird.

Denn Streitigkeiten über die Frage, ob man alles „richtig“ gemacht hat, nehmen zu. Und ob alles richtig war, lässt sich im Streitfall nur dann beweisen, wenn man es schwarz auf weiss hat. Denn spätestens im Erbfall müssen Sie sich im Zweifel verantworten.

7.

Wie gewährleiste ich, dass meine Wünsche und Interessen auch tatsächlich berücksichtigt werden ?

Die Umsetzung Ihrer Vorstellungen gewährleisten Sie durch den Inhalt des Geschäftsbesorgungsvertrages.

Je mehr Sie dort aufnehmen, je klarer Ihre Anweisungen sind, um so besser.

Wie soll Ihr Geld verwaltet werden ? Was soll bezahlt werden ? Sollen bestehende Daueraufträge ( z.B. Spenden) weitergezahlt werden ? Ab wann soll ein bestehender Mietvertrag gekündigt werden ? Wie sollen vermietete Immobilien verwaltet werden ? Von wem ? Was soll mit Ihrer Immobilie geschehen ? Soll sie veräußert werden können oder soll sie erhalten bleiben ? Was soll im Falle einer erforderlich werdenden Unterbringung geschehen ? Welches Heim ? Wie soll mit einer eventuell existierenden Patientenverfügung umgegangen werden ? Wie lange soll die Ausbildung von Kindern finanziert werden ? Wie soll ein Unternehmen geführt werden ? Soll es aufgelöst/veräußert werden ? Welche Geldanlagen sollen gewählt werden ? Wer sollte an möglichen Entscheidungen beteiligt werden ?

Diese Liste führt nur Beispiele auf. Jeder Vertrag kann nur ganz individuell formuliert werden, je nach persönlicher Situation.  Nur wenn Sie alles beachten und regeln, werden die Dinge in Ihrem Sinne stattfinden.

Aber auch wenn Sie nichts regeln und alles der freien Entscheidung des /der Vollmachtnehmer(innen) überlassen wollen, müssen Sie dies festhalten. Zu deren Gunsten und zur Vermeidung von Streit.

8.

Sollten Bevollmächtigten eine Vergütung für ihre Leistungen erhalten ?

Ohne Wenn und Aber: JA !

Mandantinnen/Mandanten, die ich in der Beratung auf diesen Punkt aufmerksam mache, reagieren meistens ablehnend bis leicht pikiert, vor allem wenn sie beabsichtigen ihre Kinder zu Vollmachtnehmer(inne)n zu machen. „Nein, das machen die gerne, das machen die natürlich nicht für Geld“, ist häufig die Antwort.

Dahinter steckt immer eine familiär-moralische Sichtweise, mit deren Wahl jedoch niemandem gedient ist und in nahezu allen Fällen (spätestens nach Ihrem Ableben) zu Auseinandersetzungen führt, die es in sich haben.

Hier meine Gegenrede:

Die Vermögensinteressen eines Dritten zu wahren, Vermögen zu verwalten, einen Menschen, der auf Hilfe angewiesen ist, zu betreuen und zu versorgen, ist zeitaufwändig, nervenaufreibend und kann sehr belastend sein.

Häufig ergibt sich aus der Lebenssituation der Beteiligten, dass z.B. eines der Kinder aus welchen praktischen oder persönlichen Gründen auch immer, den überwiegenden oder einen größeren Teil der anstehende Aufgaben erledigt ( und da ist es gleichgültig, ob dieses Kind eine Einzelvollmacht hat oder allen Kindern die Vollmacht erteilt wurde).

Dieses Kind tut dies aus emotionalen Gründen oder aus Gründen der Geschwister-Solidarität und denkt zunächst meistens nicht besonders darüber nach. Irgendwann entsteht ein „Grummeln“, insbesondere, wenn sich die Betreuungssituation länger hinzieht aber keine Veränderung herbeigeführt werden kann ( weil man sich nicht einigen kann oder weil eines der Kinder nah am Wohnort der Eltern lebt und die anderen Geschwister weiter weg etc. ).

Nach Ihrem Ableben tritt die gesetzliche Erbfolge ein, weil Sie kein Testament verfasst haben und dieses Kind, das sich möglicherweise über Jahre  für Sie und Ihre Belange engagiert hat, erfährt, dass es zu gleichen Teilen mit seinen Geschwistern erbberechtigt ist.

Sie ahnen, was geschieht ?

Es entsteht ein Streit, der meistens inhaltlich und qualitativ geeignet ist, die Familie zu zerreissen. Solche Erbengemeinschaften sind kaum auseinander zu bekommen (vielleicht lesen Sie im Anschluss auch meinen Beitrag zum Thema Erbengemeinschaft, dort finden Sie noch einige weitere Aspekte ).  Alte Geschwisterkonflikte brechen in solch einer Situation auf, Vorwürfe werden erhoben, deren Gründe man als Außenstehender oft kaum versteht, Missverständnisse und Anschuldigungen fliegen hin und her und hinter allem stehen Begriffe wie fehlende Wertschätzung, fehlende Anerkennung und seit Kindertagen bestehende Konkurrenzverhältnisse.

Und da hilft es auch nicht, dass man im Erbrecht versucht hat durch die Einführung von § 2057 a BGB eine Ausgleichsmöglichkeit zu schaffen. Denn die Voraussetzungen liegen oft nicht vor und werden von den Geschwistern, die sich engagiert haben, nahezu ausnahmslos als unzureichend gesehen.

All dem können Sie auf einfache und vernünftige Art und Weise begegnen, indem Sie regeln, dass die/derjenige, die/der für Sie etwas erledigt, entweder bereits zu Ihren Lebzeiten oder spätestens nach Ihrem Ableben vorab aus dem Nachlass eine Vergütung erhält. Legen Sie einen Stundensatz fest, verpflichten Sie Ihre Vollmachtnehmer(innen) die Stunden nach Datum, Uhrzeit und Inhalt der Tätigkeit für Sie festzuhalten ( eine wichtige Transparenz für alle ) und Sie verhindern, dass es nach Ihrer Zeit zu unnötigen Zerwürfnissen kommt.

Das ist nicht unmoralisch, sondern familienerhaltend und weitsichtig.

9.

Ist es sinnvoll und in meinem Interesse zukünftigen Erbinnen/Erben meines Vermögens eine Vollmacht zu erteilen ?

Das ist eine brisante Frage. Und die meisten Vollmachts-Verfasser(innen) hegen tief im Inneren genau die (manchmal nur diffusen) Gedanken, die sie sich in diesem Zusammenhang machen sollten.

Ich möchte Ihnen hierzu einen Fall als  Beispiel darstellen:

Ein Vater von zwei Kindern ist an Alzheimer erkrankt. Beiden Kindern ist bekannt, dass sie die Alleinerben des Vaters sein werden und sind im Besitz einer Generalvollmacht. Der Vater ist Eigentümer eines Hauses. Seine Unterbringung in einem Heim steht zur Entscheidung an. Es besteht die Möglichkeit, ihn in einem „normalen“ psychiatrischen Pflegeheim unterzubringen, wo er allerdings geschlossen untergebracht werden muss, weil er die Tendenz hat, wegzulaufen (ein klassisches Problem bei solchen Erkrankungen). Daneben bestünde auch die Möglichkeit, ihn in einer kleinen privaten Einrichtung unterzubringen, wo man auf seine „Weglauf-Bedürfnisse“ anders und individueller eingehen würde und er nicht das Gefühl bekäme, eingesperrt zu sein. Die Kosten für das private Heim liegen 2.000 € monatlich höher, als die Kosten für die anderweitige Unterbringung und müssten von den Kindern oder aus dem Vermögen des Vaters aufgebracht werden. Um diese zusätzlichen Kosten stemmen zu können, müssten die Kinder das Haus verkaufen und den Erlös für die höheren Kosten verwenden.

Wie ist die Perspektive der Beteiligten ?

Wären Sie der Vater, wäre Ihre Antwort wohl klar.

Aus der Perspektive der Kinder bedeutet die Unterbringung im privaten Heim, der Verzicht auf Teile des zukünftigen Erbes oder, wenn der Vater noch lange lebt, möglicherweise der Verlust des ganzen Erbes.

Die Frage, die sich Ihnen stellen sollte ist, ob Sie Ihren Erbinnen/Erben als Vollmachtnehmer(innen) zutrauen, dass sie völlig uneigennützig die für Sie richtige Entscheidung treffen würden.

Wenn Sie diese Frage nicht eindeutig mit Ja beantworten können, sollten Sie über die Konstellation noch einmal gut nachdenken. Weil es nach wie vor um Sie geht und Ihre Interessen und nicht um die Interessen Ihrer zukünftigen Erbinnen/Erben.

10.

Was geschieht , wenn ich niemandem eine Vollmacht erteile ?

Eigentlich nichts Dramatisches.

Wenn Sie nicht mehr in der Lage sind, Ihre rechtlich relevanten Entscheidungen selber zu treffen und es gibt niemanden, dem Sie eine Vollmacht erteilt haben, muss eine gesetzliche Betreuung eingerichtet werden.

Wer auch immer feststellt, dass Sie nicht mehr können, wendet sich an das für Sie örtlich zuständige Familiengericht und beantragt die Einrichtung der Betreuung.

Die Richterin/der Richter besucht sie dann und verschafft sich einen Überblick und führt mit Ihnen – soweit möglich – ein Gespräch. Eventuell wird ein ärztliches Gutachten eingeholt und sodann erhalten Sie eine Betreuerin/einen Betreuer.

Das kann ein Familienmitglied (auch mehrere) sein oder wenn sich niemand finden lässt, wird ein Berufsbetreuer eingesetzt. Das sind Menschen, die eine entsprechende Ausbildung haben und Geld für ihre Tätigkeit erhalten.

Alle durch das Gericht eingesetzten Personen unterliegen der Kontrolle durch das Familiengericht. Besondere Entscheidungen müssen durch das Gericht gesondert erlaubt werden ( so z.B. die Veräußerung von Immobilien) , die laufenden Geschäfte werden jährlich geprüft durch die Pflicht der Betreuer(innen) zur jährlichen Rechnungslegung.

Die Tätigkeit einer/eines professionellen Betreuerin/Betreuers hindert selbstverständlich nicht, dass Ihre Familie sich auch weiterhin um Sie persönlich kümmern und Sie versorgen kann. Berufsbetreuer/innen sind keine „Monster“, sondern in der Regel verständige und auf Verständigung mit der Familie bedachte Menschen, die lediglich die Verwaltungsarbeit übernehmen. Das kann sehr entlastend für die Familie sein und den Familienfrieden besser erhalten als im Streit und unter dem Argwohn der Beteiligten hantierende Vollmachtnehmer(innen).

Verstehen Sie, was ich Ihnen vermitteln möchte ?

Setzen Sie sich nicht selber unter Druck und lassen Sie sich nicht unter Druck setzen. Wenn Sie keinen Menschen in Ihrer Nähe haben, der Ihrem Sicherheits- und Vertrauensbedürfnis entspricht, wählen sie nicht halbherzig. Dadurch entsteht im Zweifel in Ihnen und innerhalb Ihrer Familie mehr Unruhe als Ihnen und allen gut tut.

Wenn Sie schon Vollmachten erteilt haben und Ihnen der Gedanke kommt, das sei nicht richtig, holen Sie sich die Urkunden zurück. Dazu haben Sie jederzeit das Recht.

Gerne beantworte ich Ihre weiteren Fragen.

Herzliche Grüße

Heidrun Sorgalla

 

Auf Gedeih und Verderb: Die Erbengemeinschaft

Kennen Sie das Bild von der Schafherde und dem schwarzen Schaf als Symbol für eine klassische Familiensituation, in der die Mehrheit „funktioniert“ aber eine/einer immer aus der Reihe tanzt  ?

Und wissen Sie, was das Gute an diesem Bild ist ?

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Mensch ärgere dich nicht – Das leidige Thema Kosten und Gebühren im Familienrecht

In meiner familienrechtlichen Praxis erlebe ich immer wieder, dass Menschen erst dann anwaltliche Beratung in Anspruch nehmen, wenn der familiäre Druck so groß geworden ist, dass kein anderer Weg mehr möglich erscheint. Im Laufe der Beratung fällt dann häufig der ärgerlich formulierte Satz: „Hätte ich das nur schon früher gewusst“.

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Unterhalt nach der Scheidung – Bitte nicht weiter träumen !

Kaum eine Gesetzesänderung im Unterhaltsrecht hat in den letzten Jahren so viele gegensätzliche Reaktionen ausgelöst, wie die Änderungen zum nachehelichen Unterhalt und hier insbesondere die Einführung des § 1578 b BGB zum 01.01.2008 und 01.03.2013.

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